Südhessen Morgen 19.11.14

Kanuakademie: Zehn Kinder treffen sich seit August täglich zum Training / Nach vier Wochen erster Erfolg bei Hessenmeisterschaft

Paddelinternat nimmt Fahrt auf

 

Von unserem Redaktionsmitglied Kathrin Miedniak

 

Lampertheim. Wer eines Tages Paddelmeister werden will, braucht Ausdauer. "Wir sind gerade drei Kilometer gejoggt", erzählt Dario stolz. Sekunden später klettert der Achtjährige in der Sporthalle des Wassersportvereins (WSV) energiegeladen eine Strickleiter hoch. Müde ist er noch lange nicht - genau wie die anderen Teilnehmer der Kanuakademie. "Abends wollen die Kinder oft gar nicht nach Hause", erzählt der Leiter der Akademie, Bernd Brechenser, schmunzelnd.

Mitte August ist der Startschuss für das Projekt von WSV und Kanuclub (KCL) gefallen. Mitglieder beider Vereine haben sich zusammengetan, um das Teilzeitinternat Kanurennsport zu gründen. Ihr Ziel: Neuen Nachwuchs für den Kanusport gewinnen und gleichzeitig eine Ganztagsbetreuung anbieten. Sieben Kinder waren vom ersten Tag an dabei, mittlerweile sind es schon zehn. Platz für 20 Teilnehmer bietet das Projekt. "Wenn es mehr werden: umso besser", sagt Brechenser. "Dann nutzen wir auch noch die Räume des Kanuclubs mit."

Bisher kommen die Acht- bis Elfjährigen nach der Schule alle zum Vereinshaus des WSV. Ist der Weg von der Schule dorthin zu weit, sammelt Vereinsmitglied Dimitri Isaak die Kinder mit dem Auto ein. An vier Tagen die Woche hilft er Brechenser bei der Betreuung, zwei weitere Helfer arbeiten teilzeit mit. "Aber die Kids wollen alle nur sein wie Dimitri", sagt Brechenser und grinst, dann wird er ernst: "Vor allem für die Söhne von alleinerziehenden Müttern ist der Kontakt zu männlichen Bezugspersonen wichtig."

Erst Hausaufgaben, dann Sport

Es ist früher Nachmittag, Dimitri Isaak trocknet gerade das Mittagessengeschirr ab. An diesem Tag hat der auf Kita- und Schulverpflegung spezialisierte Caterer Herweck Kürbissuppe und Pfannkuchen geliefert. "Den Kindern schmeckt das Essen gut, vor allem wenn es Pfannkuchen gibt", sagt Brechenser.

In der Halle nebenan toben schon die Akademieteilnehmer, die keine Hausaufgaben zu erledigen haben. Der Rest brütet noch im ehemaligen Vorstandszimmer über Aufsätzen und Rechenübungen. Der WSV hat kurzerhand einige Tische in den Raum gestellt. "Das Zimmer wurde ohnehin nicht genutzt, genau wie die Halle, die tagsüber immer leer stand", erklärt Brechenser. Jetzt ist mittags viel Leben im Vereinshaus.

"Und, Julien, geht's zum Joggen?", fragt Dimitri Isaak den letzten Jungen, der noch über seine Hausaufgaben erledigt. "Nur noch zwei Matheübungen", antwortet Julien. Seine Hausaufgabenbetreuerin - eine Oberstufenschülerin des Lessing-Gymnasiums - nickt. "Er kommt gleich." Draußen scharen sich die Kinder in Joggingkleidung um Isaak, gemeinsam geht es auf die Laufrunde. "Im Winter ist der Wind zu kalt, um mit den Kindern auf dem Wasser paddeln", erklärt Brechenser.

Während der Paddelnachwuchs sich warmläuft, baut er in der Sporthalle ein Zirkeltraining auf: ein Gymnastikball zum Balancieren, ein Punchingball, um Aggressionen wegzuboxen, Matten, Bälle und natürlich zwei Kanu-Ergometer. Athletiktraining steht auf dem Programm, ganz allgemein Ausdauer und Fitness. "Donnerstags machen wir immer Ballspiele, aber am liebsten beschäftigen sich die Kinder selbst mit den Materialien hier", sagt der Trainer.

Fortschritte machen stolz

Akademieteilnehmerin Anna bestätigt das. "Wir können hier überall rumtoben, das ist toll", erzählt die Achtjährige. Der gleichaltrige Christoph, der gerade mit den anderen Jungs vom Joggen zurückkommt, mag dagegen das Laufen am liebsten. Und das Paddeln, natürlich. Einige der Kinder saßen noch nie zuvor in einem Kanu, haben sich aber sehr schnell mit dem Sport vertraut gemacht. "David ist vier Wochen, nachdem er bei uns zum ersten Mal im Kanu saß, Hessenmeister in seiner Altersklasse geworden", erzählt Brechenser.

Ein Fall, an dem der erfahrene Trainer den Unterschied zwischen täglichem und einmal wöchentlichem Training merkt. "Wenn man die Kinder jeden Tag sieht, kann man viel intensiver an der Technik arbeiten." Die sei bei all seinen Schützlingen mittlerweile "echt klasse", betont der Trainer stolz. Die Kanuakademie ist für ihn schon jetzt, gerade mal drei Monate nach ihrem Start, ein Erfolg. "Es macht einfach Spaß, wenn man die Fortschritte der Kinder sieht."

© Südhessen Morgen, Mittwoch, 19.11.2014